Was unter den Begriff Gewalt in der Erziehung fällt, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von Werthaltungen in Familien und Gesellschaften, von kulturellen Normen und von landesspezifischen Gesetzen. Es erstaunt also nicht, dass es besonders über den Begriff Gewalt in der Erziehung unterschiedliche Ansichten und Definitionen gibt. Wir kategorisieren Gewalt in der Erziehung in folgende vier Arten:
Körperliche Gewalt
Als körperliche oder physische Gewalt gilt gemäss der von Kinderschutz Schweiz in Auftrag gegebenen Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz 2020 ein Angriff oder Übergriff auf Leib und Seele bzw. das Einwirken auf die körperliche Unversehrtheit eines Kindes. Dazu gehören Handlungen wie zum Beispiel
- Schlagen allgemein
- Schütteln (von Babys und kleinen Kindern)
- Stossen
- Treten
- Boxen
- Mit Gegenständen schlagen
- An den Haaren ziehen
- Prügeln mit den Fäusten oder mit Gegenständen
- Mit dem Kopf gegen die Wand schlagen
- Verbrennen (z. B. mit Zigaretten)
- Würgen
Bedauerlicherweise werden in der Schweiz einige Formen körperlicher Gewalt gesellschaftlich toleriert und als «normale Erziehungsinstrumente» akzeptiert. Dazu zählen Ohrfeigen, Klapse auf den Po, aber auch Schütteln, Stossen, Festhalten, an den Ohren/Haaren ziehen, kaltes Abduschen und Zwicken.
Schwere körperliche Misshandlungen haben oft sichtbare Zeichen wie Brüche, Verbrennungen, Schnitte, Stiche, Quetschungen oder innere Blutungen zur Folge. Sie müssen meist medizinisch behandelt werden und finden in der Gesellschaft in der Regel keine Akzeptanz.
Psychische Gewalt
Psychische oder seelische Gewalt ist gemäss der Studie zum Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz 2020 schwieriger zu definieren als physische Gewalt, weil sie weniger gut sichtbar ist. Und gleichwohl kann auch sie – vor allem, wenn sie regelmässig angewendet wird – starke und möglicherweise lebenslange Auswirkungen für die betroffenen Kinder haben. Besonders häufig tritt psychische Gewalt an Kindern in Form von Äusserungen, verbalen Aggressionen oder nonverbalen Gesten auf, zum Beispiel durch:
- Drohen
- Demütigen
- Abwerten
- Verachten
- Ablehnen
- Angstmachen
- Blossstellen
- Liebesentzug
Auch das Miterleben von häuslicher Gewalt gehört in diese Kategorie, denn Kinder sind auch dann davon betroffen, wenn die Gewalt nicht direkt gegen sie gerichtet ist.
Vernachlässigung
Vernachlässigung findet statt, wenn grundlegende Kindesbedürfnisse wie Fürsorge, Nahrung oder Zuwendung bewusst oder unbewusst vernachlässigt werden.
Wenn solche elementaren Bedürfnisse über einen längeren Zeitraum nicht befriedigt werden, kann das gravierende Folgen für die seelische, geistige und körperliche Entwicklung des Kindes haben. Eine Vernachlässigung liegt zum Beispiel dann vor, wenn Kinder nur unzureichend oder gar nicht ernährt, gepflegt, gefördert, gesundheitlich versorgt, beaufsichtigt oder vor Gefahren geschützt werden. Das Risiko für bleibende körperliche und seelische Schäden ist umso grösser, je jünger die Kinder sind. Dies gilt auch für die Gefahr von lebensbedrohlichen oder tödlichen Folgen einer Vernachlässigung.
Vernachlässigung kommt in sämtlichen Gesellschaftsschichten vor. Sie hat ihren Ursprung häufig in finanziellen Sorgen, Beziehungsproblemen oder selbst erlebten Misshandlungen in der eigenen Kindheit. Die sich daraus entwickelnde Überforderung und Erschöpfung kann schnell in teilnahmsloses Verhalten überschwappen, wodurch die Vernachlässigung des Kindes entsteht. Die beiden Formen der Vernachlässigung – die körperliche und die emotionale/psychische treten häufig gemischt auf.
Sexuelle Gewalt an Kindern
Mit sexueller Gewalt ist jede sexuelle Handlung mit oder ohne Körperkontakt gemeint, die eine Person unter Ausnützung eines Machtverhältnisses an einer anderen Person vornimmt.
Sexuelle Gewalt an Kindern beginnt oft mit sexualisierten Gesten, die über kurz oder lang in sexuellen Handlungen münden. Sie kann bis ins Erwachsenenalter andauern. Sexuelle Gewalt an Kindern ist eine strafbare Misshandlung! Weitere Informationen dazu finden sich auf der Themenseite.