Kindsmisshandlungen bis das Spital rettet: Warum gelingt es uns nicht, unsere Kinder zu schützen?

1'590 Kinder wurden im Jahr 2020 in einer Schweizer Kinderklinik wegen Kindsmisshandlung behandelt. Das sind 1.5 % mehr als im Vorjahr. Die erfassten Fälle bilden nur die Spitze des Eisbergs: viele Fälle von Gewalt an Kindern werden nie an einer Kinderklinik behandelt, bleiben unerkannt und unerfasst. Warum versagt der Schutz in der Schweiz?
Freitag, 28. Mai 2021
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Erziehung ist Privatsache – Gewalt an Kindern nicht.

Die von der Schweiz 1997 ratifizierte UNO-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, Kinder per Gesetz vor jeder Form körperlicher oder psychischer Gewaltanwendung zu schützen. Trotzdem fehlt in der Schweiz ein klares Gesetz für das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Die Nachbarländer zeigen es: Ein Gesetz hat Signalwirkung. Besonders für Erwachsene, welche Gewalt in der Erziehung für nötig halten. Es hilft jedoch auch dort, wo Gewalt aus Überforderung angewendet wird und Eltern Unterstützung brauchen. Wo Gewalt in der Erziehung von der Gesellschaft abgelehnt wird, werden früher Hilfen angeboten. Präventionskampagnen zur gewaltfreien Erziehung mit Unterstützungsangeboten für Eltern, wie sie Kinderschutz Schweiz seit Jahren anbietet, gehörten zu zentralen Aufgaben der offiziellen Schweiz.

Kindsmissbrauch muss früher erkannt werden!

In der Statistik sind nur jene Kinder erfasst, bei denen die Gewalt so starke Spuren hinterlassen hat, dass sie deswegen im Spital behandelt werden mussten. Vor der Einlieferung liegt bereits ein langer Leidensweg. Mit einer besseren Früherkennung von Kindeswohlgefährdungen für Berufsgruppen, die mit und für Kinder arbeiten, könnten mehr Opfer von Gewalt erkannt und es kann schneller interveniert werden.
Die Früherkennung von Kindeswohlgefährdungen und der Umgang mit Verdachtsfällen muss in der Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen stärker im Fokus stehen. Zudem müssen Institutionen, die mit Kindern arbeiten, klar definierte Prozesse für den Umgang mit (vermuteten) Kindswohlgefährdungen implementieren. Kinderschutz Schweiz hat eine Leitfadenreihe zum Thema Früherkennung für Fachpersonen publiziert.

Sexuelle Gewalt an Kindern darf kein Tabu sein!

Ein Grossteil der sexuellen Gewalt an Kindern geschieht im Privatraum. Täterinnen und Täter muss die Tat und auch ein allfälliger Handel von Kindsmissbrauchsabbildungen erschwert, Erwachsene müssen sensibilisiert und die Kinder aufgeklärt werden. Aufmerksame Erwachsene schützen wirksamer und informierte Kinder können besser über sexuelle Gewalt berichten. Alle Meldungen sind wichtig und verhindern Pädokriminalität – auch im Internet. Deshalb wird Kinderschutz Schweiz gemeinsam mit der Guido Fluri Stiftung bis im Herbst 2021 eine niederschwellige Meldestelle zur Cyberkriminalität errichten. Daneben bleiben Präventionsprogramme wie «Mein Körper gehört mir!» oder Aufklärungswebsites zentral. Ist das Thema in Familie und Gesellschaft kein Tabu, fällt es Täterinnen und Täter deutlich schwerer, sexuelle Gewalt auszuüben.

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