Keine gesetzliche Verankerung der gewaltfreien Erziehung

Der Bundesrat verkennt die Notwendigkeit, das Recht auf gewaltfreie Erziehung gesetzlich zu verankern, obschon zu viele Kinder nach wie vor Gewalt in der Erziehung erleben. Für den Bundesrat ist die gesetzliche Lage klar – für die Bevölkerung ist sie es nicht.
Mittwoch, 19. Oktober 2022
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Der Bundesrat hat seinen Bericht zum Po. Bulliard 20.3185 «Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung» veröffentlicht. Die gute Nachricht ist, dass der Bundesrat die Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) für möglich und hilfreich hält. Die schlechte Nachricht ist, dass er meint, die Gesetzeslage sei der Bevölkerung klar und es brauche nur mehr Sensibilisierung. Die Erfahrungen in den umliegenden Ländern zeigt: damit Gewalt aus der Erziehung von Kindern verschwindet, braucht es beides: eine eindeutige gesetzliche Grundlage und die begleitende Sensibilisierung dafür. Für Kinderschutz Schweiz ist deshalb klar: bei Gewalt an Kindern darf es keinen Interpretationsspielraum mehr geben. Die gewaltfreie Erziehung muss unmissverständlich ins Gesetz.

Das Züchtigungsrecht muss endgültig begraben werden

Zwar gibt es seit den Änderungen im ZGB von 1978 kein explizites «Züchtigungsrecht» der Eltern mehr im Gesetz. In der Botschaft zu dieser Änderung wurde damals allerdings festgestellt, in der elterlichen Gewalt sei «auch die Befugnis zur Züchtigung des Kindes enthalten, soweit dies zu seiner Erziehung nötig ist». Damit wurde festgehalten, dass ein gewisses Mass an körperlicher oder psychischer Gewalt in der Erziehung notwendig und erlaubt sei – was mangels anderslautender gesetzlicher Regelung bis heute nachwirkt. Die Ansicht, dass Züchtigung notwendig sei, ist ein Relikt und widerlegt. «Die gesetzliche Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung würde ganz offiziell aufzeigen, dass es in der Erziehung keinen Platz für Gewalt geben soll» sagt Yvonne Feri, Nationalrätin und Präsidentin von Kinderschutz Schweiz.


Gemäss einer aktuellen Studie (Uni Freiburg, 2022) zum Bestrafungsverhalten von Eltern würden 12 Prozent der Eltern ihr Erziehungsverhalten ändern, wenn das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Gesetz verankert würde. So klar, wie der Bundesrat die gesetzliche Lage beurteilt, ist es für die Bevölkerung offensichtlich nicht.

Körperliche und psychische Gewalt an Kindern ist in der Schweiz immer noch Teil des Alltags – aber das Erziehungsverhalten kann beeinflusst werden

Kinderschutz Schweiz engagiert sich seit Jahren gegen Gewalt in der Erziehung, beispielsweise mit nationalen Präventions- und Sensibilisierungskampagnen. Seit dem 17. Oktober macht Kinderschutz Schweiz mit konkreten Zahlen aus einer aktuellen Studie (Uni Freiburg, 2022) zum Bestrafungsverhalten von Eltern auf die Problematik aufmerksam. Es zeigt sich, dass Einstellungen und Verhalten der Eltern sich ändern können. «Wer körperliche und psychische Formen der Gewalt als verboten ansieht, wendet diese auch weniger an» sagt Regula Bernhard Hug, Geschäftsführerin von Kinderschutz Schweiz.

Im Postulatsbericht hält der Bundesrat fest, dass es Prävention und Sensibilisierung braucht und dass die Verankerung der gewaltfreien Erziehung im ZGB dafür hilfreich wäre. Das Wohl des Kindes und die Unterstützungsangebote könnten in den Fokus gerückt werden. Es gibt viele Gründe, die gewaltfreie Erziehung im Gesetz zu verankern, und keine, dies abzulehnen. Die gewaltfreie Erziehung im Gesetz zu verankern ist ein starkes Signal. Es nicht zu tun auch!

So geht es nun weiter

Am 3. November wird sich die Rechtskommission des Ständerates mit dem Bericht und der Motion Bulliard 19.4632 befassen. Letztere verlangt, das Recht auf gewaltfreie Erziehung im ZGB festzuschreiben. Eventuell wird der Ständerat dann bereits an der kommenden Wintersession über die Motion abschliessend entscheiden. Kinderschutz Schweiz wird sich dafür stark machen, dass der Ständerat die Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung erkennt und entsprechend handelt.

Medienanfragen

Tamara Parham
Bereichsleiterin Kommunikation und Partnerschaften
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