Verdachstsfall erkennen

Es ist wichtig, dass Behörden und Fachpersonen Warnsignale erkennen und entsprechend handeln.

Erster Kontakt mit einem potenziellen Opfer von Kinderhandel

Ein Kontakt mit einem potenziellen minderjährigen Opfer von Menschenhandel kann durch Zufall oder durch eine Personenkontrolle stattfinden. Der erste Kontakt mit der Polizei kann zum Beispiel aufgrund eines Ladendiebstahls erfolgen, bei einem Grenzübertritt in die Schweiz oder bei der Ausreise. Potenzielle Opfer werden auch von Sozialarbeitenden, Ämtern, medizinischem Personal, Freiern oder anderen Privatpersonen im Umfeld erkannt.1

1 Vgl. https://www.fiz-info.ch/images/content/news/2023/2022_FIZ_Jahresbericht_digital.pdf S. 9 «Neue Fälle: in die FIZ gekommen durch»

Warnsignale, die weitere Abklärungen erfordern

Beim ersten Kontakt können die folgenden Anzeichen auf eine Kindeswohlgefährdung und eventuell auch auf Kinderhandel hindeuten.

Allgemeine Indikatoren

Das Kind

  • verhält sich auffällig oder wirkt eingeschüchtert und/oder verhält sich nicht altersgerecht.
  • verhält sich übertrieben sicher, teilweise aggressiv.
  • hat Angst vor der Polizei.
  • verfügt über keine Ausweispapiere.
  • verfügt über gefälschte Ausweispapiere oder echte Ausweispapiere mit falschen Personendaten.
  • ist im Besitz von viel Kleingeld.
  • will keine Angaben über sich machen.
  • verfügt nur über mangelnde Kenntnisse der lokalen Sprache.
  • geht nicht zur Schule.

Weitere Merkmale einer Kindeswohlgefährdung, die eine vertiefte Situationsabklärung erfordern:

Das Kind

  • ist zeitlich und örtlich nicht orientiert und kann keine Angaben zum Wohnort machen.
  • hat Kleidung oder Gepäck, das nicht zur Situation passt.
  • hat einen Zettel mit Telefonnummer(n) bei sich.
  • hat ein Mobiltelefon mit Prepaid-Karte bei sich.
  • zeigt Anzeichen von physischer Vernachlässigung, ist in schlechtem gesundheitlichem Zustand oder wirkt verwahrlost und unterernährt.
  • zeigt Anzeichen von physischer Gewalt, zum Beispiel Verletzungen.
  • erzählt eine Geschichte, die einstudiert wirkt.

Beim Grenzübertritt und bei Kindern, die in Begleitung einer erwachsenen Person sind, sind folgende Anzeichen zu beachten:

  • Die Beziehung zwischen Kind und Begleitperson ist unklar, oder es gibt Hinweise darauf, dass sie nicht der behaupteten Beziehung entspricht.
  • Eine erwachsene Person befindet sich mit mehreren Kindern in einem Fahrzeug und hat alle Dokumente (u.a. Reisedokumente oder Ausweise).
  • Die Grenzübertrittsbescheinigung oder notarielle Beglaubigung für die Kinder oder die Obhut fehlt: In einigen Ländern ist beispielsweise Einverständniserklärung der sorgeberechtigten Eltern erforderlich, wenn ein Elternteil allein mit einem Kind ausreist oder das Kind mit einer anderen Person reist.
  • Die erwachsene Person ist nur Transportperson.
  • Die erwachsene Person kann im ersten Moment die Kinder nicht richtig zuordnen.

In der Schweiz sind folgende Anzeichen zu beachten:

  • Das Kind benutzt das Internet auf unangemessen Weise und baut Online-Kontakte auf, insbesondere zu Erwachsenen.
  • Das Kind geht teuren sozialen Aktivitäten nach oder besitzt teure Sachen und hat keine plausible Erklärung für die Herkunft der dafür nötigen Geldbeträge.
  • Das Kind verlässt oder besteigt ein Fahrzeug, in dem unbekannte erwachsene Personen sind.
  • Erwachsene Personen halten sich in der Nähe der Wohnung/Unterkunft des Kindes auf.
  • Das Kind geht in untypischer und nicht altersgerechter Kleidung aus dem Haus.
  • Der/Die Jugendliche arbeitet an verschiedenen Orten.

Siehe auch Indikatorenliste des fedpol

Indikatoren für die Loverboy-Masche

Sogenannte Loverboys sind meist junge Männer, die teilweise noch minderjährigen jungen Frauen oder Männern eine grosse Liebe vortäuschen. Sie ködern sie mit Versprechungen und Geschenken und fangen sehr schnell eine sexuelle Beziehung mit ihnen an. Sie versprechen ihnen eine gemeinsame Zukunft und sondern sie immer mehr von ihrer Familie und ihren Freunden ab. Durch das Vortäuschen einer Liebesbeziehung gelingt es dem Menschenhändler, sein Opfer in die Prostitution zu zwingen und es für Geld auszubeuten. Etliche der Indikatoren, die darauf hinweisen, dass (meist weibliche) Jugendliche Opfer der sogenannten Loverboy-Masche geworden sind, treffen auf eine Vielzahl von Jugendlichen zu. Bei der Beurteilung ist deshalb nicht ein einzelner Indikator ausschlaggebend, sondern das Auftreten einer Kombination unterschiedlicher Indikatoren sowie die Zeitspanne, in der die Veränderungen aufgetreten sind. Es wird hier auf die Indikatorenliste des fedpol verwiesen.

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