Etappe 4: Erweitertes Verfahren und Unterbringung in den Kantonen (Art. 26d und 27 AsylG).

Kann der Fall nicht im beschleunigten Verfahren entschieden werden, erfolgt eine Zuteilung in das erweiterte Verfahren und eine Zuweisung und Unterbringung im Kanton.

Akteur:innen, die in dieser Phase mit dem/der Minderjährigen in Kontakt kommen:

  • Befrager:in SEM
  • Betreuungs- und Sicherheitspersonal BAZ
  • Rechtsvertretung*
  • Vertrauensperson oder Beistand
  • Pflegepersonal BAZ
  • Dolmetscher:in
  • Lehrpersonen
  • Freiwillig Engagierte
  • Kantonale Rückkehrberatung
  • Rückkehrberatung IOM

* Im erweiterten Verfahren kann sich die Asylsuchende Person für die Beratung und Rechtsvertretung bei entscheidrelevanten Schritten (z.B. ergänzende Anhörung) an die im Kanton zugelassene Rechtsberatungsstelle wenden (Art. 52f Abs. 2 AsylV1). Falls ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, kann die im BAZ bzw. am Flughafen zugewiesene Rechtsvertretung ausnahmsweise zuständig bleiben (Art. 52f Abs. 3 AsylV1).

Asylgesuche von Minderjährigen werden gemäss Art. 17 Abs. 2 AsylG prioritär behandelt. Deshalb ist die Zeitspanne, in der das Kind zu den Betreuungspersonen in der Unterkunft, zur Lehrperson oder zur Vertrauensperson ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann, unter Umständen auch in dieser Etappe relativ kurz. Dennoch können die Kontaktpersonen ausserhalb der Anhörungen durch dasSEM wichtige Hinweise auf eine mögliche Ausbeutung erkennen. Gleichzeitig muss das Augenmerk auch auf Veränderungen im Verhalten des Kindes liegen, denn zu diesem Zeitpunkt ist das Risiko, in der Schweiz Opfer von Kinderhandel zu werden, besonders gross.

In dieser Etappe besonders zu beachtende Warnsignale

Hinweise von Akteurinnen und Akteuren, die über den Alltag des Kindes Bescheid wissen und so Unregelmässigkeiten feststellen können, spielen bei der Erkennung betroffener Kinder eine wichtige Rolle.

Das Kind

  • verschwindet für ein paar Tage, taucht ohne Erklärung für das Weg-bleiben wieder auf und sieht trotzdem gepflegt und gut versorgt aus.
  • gibt an, möglichst rasch viel Geld verdienen zu müssen, weil es bei jemandem Schulden für die Reise abbezahlen muss.
  • erhält ständig Telefonanrufe von unbekannten Personen und will keine Auskunft darüber geben.
  • wird von unbekannten, erwachsenen, nicht verwandten Personen abgeholt oder besucht.
  • erwirbt oder ist in Besitz von Geld, teuren Kleidern, Handys oder anderen Wertgegenständen ohne logische Erklärung.
  • verfügt über ein sehr schlechtes Selbstbild und ein geringes Selbstbewusstsein und zeigt Spuren von Selbstverletzungen wie Ritzen, oder es gibt Hinweise auf Essstörungen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder Promiskuität.
  • zeigt Anzeichen von Depressionen, Angstzuständen, Schlafstörungen oder Konzentrationsschwierigkeiten.
  • befindet sich in Begleitung Erziehungsberechtigter, die ausserstande oder nicht gewillt scheinen, es zu schützen.

Zusätzliche Massnahmen in Etappe 4

  • Die Vertrauensperson, die Beiständin, der Beistand oder der Vormund bzw. die KESB sowie das SEM und die Rechtsvertretung informieren
  • Sicherstellen, dass weitere relevante Akteur:innen, insbesondere im Bereich der Unterkunft informiert werden
  • Mit einer Opferhilfestelle Kontakt aufnehmen
  • Dem Kind Erholungs- und Bedenkzeit gewähren und Schutzmassnahmen gemäss Art. 12 ÜBM einleiten
  • Bei der Prüfung des Asylgesuches die mögliche Asylrelevanz des Menschenhandels beachten
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