Non-Punishment Rule – keine Kriminalisierung der Opfer von Menschenhandel

Im schweizerischen Strafsystem kann eine unter Zwang begangene Straftat als entschuldbar angesehen werden, was eine Verurteilung ausschliesst.

Dazu die Bestimmung über das Absehen von Strafe im Art. 26 ÜBM:

Jede Vertragspartei sieht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres Rechtssystems die Möglichkeit vor, Opfer für ihre Beteiligung an rechtswidrigen Handlungen insoweit nicht zu bestrafen, als sie dazu gezwungen wurden.

Diese Regelung muss bei Opfern von Kinderhandel konsequent angewendet werden.1

Werden Kinder im Zusammenhang mit Bettelei oder Diebstahl aufgegriffen oder liegt Kinderhandel im Sinne von erzwungener Kriminalität vor, sind folgende wichtige Grundsätze zu beachten:

  • Die Situation muss in einem Kindesschutzrahmen behandelt werden.
  • Es gilt, zu prüfen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, und Kindesschutzmassnahmen einzuleiten (Art. 307 ff. ZGB). Die KESB ist miteinzubeziehen.
  • Die Situation muss sorgfältig überprüft werden: Wer profitiert vom Delikt? Gibt es Warnsignale, die auf Kinderhandel hinweisen?
  • Wenn ein Verdacht auf Kinderhandel besteht, gilt: Es ist unzulässig, Opfer von Kinderhandel für die Delikte zu bestrafen. Die Kriminalität ist erzwungen. Die Ausbeuter und Ausbeuterinnen sind die wahren Tatpersonen.
  • Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Jugendgerichte müssen bei Straftaten von Jugendlichen dafür sensibilisiert sein, dass es sich um eine Ausbeutungssituation handeln könnte. Solche Situationen verlangen nach weiteren Abklärungen. (Fallbeispiel Non-Punishment Rule und Jugendkriminalität, freiwillige Arbeit oder Zwang zu Kleinkriminalität)

1 Vgl. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20101963/index.html

 

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