Begriffserklärung

Aus dem Global Report (2018) geht hervor, dass die Gesamtzahl der gemeldeten Opfer gestiegen ist. Dies könnte bedeuten, dass mehr Menschen Opfer von Menschenhandel werden, aber auch, dass sich die nationalen Kapazitäten zur Aufdeckung dieses Verbrechens und zur Identifizierung der Opfer in einigen Ländern verbessert haben.1 Gemäss Schätzungen der International Labour Organization (ILO) sind global 4,3 Millionen Menschen von Menschenhandel betroffen. Einer von vier Betroffenen ist ein Kind.2 Da die Dunkelziffer von Kinderhandel markant ist, ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher ist.
1 Vgl. UNODC, Global Report on Trafficking in Persons, 2018, www.unodc.org/documents/data-and-analysis/glotip/2018/GLOTiP_2018_BOOK_web_small.pdf.
2 Vgl. https://www.ilo.org/global/topics/forced-labour/lang--en/index.htm.
Menschenhandel
Menschenhandel verletzt die grundlegendsten Rechte von Menschen: das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf physische und psychische Unversehrtheit, das Recht, keine Folter oder erniedrigende Behandlung zu erleiden. Menschenhandel ist eine Menschenrechtsverletzung und eine schwere Straftat. Menschenhandel liegt gemäss Palermo-Protokoll1 vor, wenn folgende drei Elemente in Kombination vorkommen:
- Aktion (Rekrutierung, Transport, Transfer, Beherbergung, Entgegennahme von Menschen)
- Mittel (Gewalt, Täuschung, Drohung, Ausnutzung von Hilflosigkeit, Zwang)
- Zweck (sexuelle Ausbeutung, Ausbeutung der Arbeitskraft, Entnahme von Organen)
1 Vgl. die Definition in Art. 3 des Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Palermo-Protokoll), SR 0.311.542 f l
Kinderhandel – Menschenhandel mit Minderjährigen
Kinderhandel ist die Verbringung eines Kindes an einen anderen Ort, die Übergabe an eine Drittperson oder die Entgegennahme eines Kindes mit dem Ziel, es auszubeuten. Menschenhandel bedeutet «die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen (…) zum Zweck der Ausbeutung».2 Dies geschieht meist durch «Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung der Hilflosigkeit.»3 Diese Definition gilt auch für Kinderhandel, jedoch mit der wichtigen Unterscheidung, dass es sich bei Kindern auch dann um Kinderhandel handelt, wenn kein Druckmittel eingesetzt wird. Eine allfällige Einwilligung des Kindes oder seiner Eltern ist zudem irrelevant.4
Kinderhandel ist eine Straftat. Er bedeutet eine gravierende Misshandlung eines Kindes mit möglichen schwerwiegenden Folgen für das Opfer. Fälle von Kinderhandel müssen deshalb immer in einem Kindesschutzkontext behandelt werden. Die Rechte, die Würde und der Schutz des Kindes stehen im Fokus – unabhängig davon, ob es zu einem Strafverfahren und einer Verurteilung der Täterinnen und Täter kommt.
Kinderhandel kann, muss aber nicht grenzüberschreitend sein. Es gibt Ausbeutungssituationen, in denen das Kind im Ausland rekrutiert und Opfer von Menschenhandel wird und in diesem Zusammenhang in die Schweiz verbracht wird. Zudem ist möglich, dass ein Kind nach seiner Ankunft innerhalb der Schweiz Opfer wird (z.B. im Verlaufe des Asylverfahrens) oder dass ein Opfer in der Schweiz aufgewachsen ist und hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ebenfalls möglich ist, dass das Kind von der Schweiz in einen Drittstaat verbracht wird und in diesem Zusammenhang Opfer von Kinderhandel wird. Unter die Definition von Kinderhandel fallen zudem Situationen der Ausbeutung eines Kindes, bei denen es zu keiner örtlichen Verschiebung kommt, zum Beispiel wenn die eigene Familie zulässt, dass Täterinnen/Täter das Kind misshandeln.
2 Vgl. die Definition in Art. 3 des Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Palermo-Protokoll), SR 0.311.542 f l
3 Ibd
4 Ibd
Menschenschmuggel
Der Begriff Menschenschmuggel bezeichnet «die bezahlte Beihilfe zur irregulären Einreise in ein anderes Land. In der Regel erfolgt der Menschenschmuggel mit dem Einverständnis oder auf Verlangen der geschleppten Person. Menschenhandel und Menschenschmuggel können jedoch kombiniert auftreten und fliessen ineinander über, wenn der Preis der Schleusung von der Täterschaft genutzt wird, um die betroffene Person schliesslich in ein Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnis zu bringen.»5 Vermittlerinnen und Vermittler stammen oft aus dem nahen Umfeld des Kindes oder sind sogar Familienangehörige.6 Eine Person kann eine Reise demnach als Migrantin oder Migrant beginnen, in der Folge aber Opfer von Menschenhandel bzw. Kinderhandel werden.
5 Vgl. KSMM, Fact Sheet Menschenhandel, Juni 2015
6 Vgl. ECPAT Switzerland, Kinderhandel. Nationale Handhabung bei internationaler Problemstellung, Bern 2009
Inhaltsverzeichnis
Zur Übersicht- Zielgruppen Online-Handbuch
- Begriffserklärung
- Gesetzliche Grundlagen
- Fokus Kinderrechte
- Grundsätze zur Bekämpfung
- Kinderhandel erkennen
- Verdachtsfall
- Fallbeispiele
- Opfer Asylbereich
- Opferschutz und Betreuung
- Dauerhafte Lösungen
- Empfehlungen
- Dank an die Partnerorganisationen
- Wichtige Kontaktstellen
- Literatur- und Linkliste