Vernehmlassungsantwort zur Anpassung der Sportförderungsverordnung und zur Schaffung einer unabhängigen nationalen Meldestelle des Schweizer Sports

Im Rahmen der Vernehmlassung zur Änderung der Verordnung über die Förderung von Sport und Bewegung (SpoFöV) nehmen wir hiermit Stellung.
Montag, 27. Juni 2022

Die Stiftung Kinderschutz Schweiz engagiert sich seit vielen Jahren für die Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt an Kindern in der Schweiz und koordiniert das Netzwerk «Prävention sexueller Gewalt im Freizeitbereich». Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt an Kindern wird leider auch in Sportkreisen ausgeübt. Deshalb scheint es uns wichtig, auf die nachfolgenden Aspekte hinzuweisen. Dabei möchten wir betonen, dass diese Stellungnahme von Kinderschutz Schweiz als Organisation und nicht im Namen des oben erwähnten Netzwerks eingereicht wird.

Allgemeine Bemerkungen

Es ist positiv, dass die in der SpoFöV verankerten Regeln des fairen und sicheren Sports durch Bestimmungen über den Schutz der Integrität der Personen und insbesondere der Kinder ergänzt werden. Kinderschutz Schweiz begrüsst, dass der Bund beschlossen hat, im Sportbereich eine verstärkte Aufsichtsfunktion in Bezug auf den Schutz von Kindern wahrzunehmen. Nach unserer Auffassung muss das BASPO seine Aufsicht unbedingt im Vorfeld ausüben, indem es vor dem Entscheid über die Gewährung von Finanzhilfen abklärt, ob die von den Sportorganisationen ergriffenen Massnahmen recht- und zweckmässig sind (vgl. Art. 72d Abs. 1 SpoFöV), und nicht erst, wenn es einen Verstoss gegen die vom Dachverband erlassenen Vorschriften über das Verhalten festgestellt hat (vgl. Art. 72h SpoFöV).

Wir unterstützen auch den geplanten Mechanismus, wonach die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an Sportorganisationen unter anderem an das Bestehen wirksamer Massnahmen für die Bekämpfung von physischer, sexueller und psychischer Gewalt geknüpft ist. Es ist wichtig, dass die Hauptformen von Gewalt sowie der Schutz minderjähriger Athletinnen und Athleten und die Förderung ihrer ganzheitlichen Entwicklung in der Verordnung ausdrücklich erwähnt werden (Art. 72c Abs. 1 Bst. a Ziff. 2, 3 und 4 SpoFöV).

Unserer Auffassung nach wurde bei den Überlegungen im Hinblick auf die Änderung der SpoFöV und die Meldestelle jedoch ein Element ausser Acht gelassen. Ethik und Kindesschutz sind eine Führungsaufgabe der Sportorganisationen. Wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen (vgl. Ergebnisse eines Workshops mit rund 50 Fachleuten), stehen Vereins- und Verbandsleitungen insbesondere bei Verdacht oder Hinweisen auf (physische, psychische, sexuelle) Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vor grossen Herausforderungen. Die besonderen Herausforderungen, mit denen Sportorganisationen in Verdachts- und Krisenfällen konfrontiert sind, werden von der Fachstelle Limita wie folgt beschrieben: Diese Organisationen befinden sich in einem Dilemma zwischen dem Schutzauftrag gegenüber Betroffenen und der Schutzpflicht gegenüber Beschuldigten. Im Verdachtsfall sehen sich die Organisationen mit Vertrauensbrüchen, Isolation und Kontrollverlust konfrontiert. Aus professioneller Sicht ist es absolut dringend notwendig, Sportorganisationen zu beraten, wie sie in Krisensituationen handeln sollen. Eine externe Beratung zum Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung in den eigenen Reihen ist nicht nur wünschenswert, sondern im Hinblick auf die notwendige Unparteilichkeit während aller Schritte für die Organisationen unerlässlich. Gerade in ungeklärten Situationen, während laufender Ermittlungen und Strafverfahren gilt es, im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen verantwortungsvoll zu handeln. In diesen Situationen sind die Sportorganisationen auf sich allein gestellt.

Auch die Meldestelle INTEGRITY kann hier keine Abhilfe schaffen. Die Gefahr, die eigenen Interessen über den Schutz der Opfer zu stellen, ist in solchen Situationen gross, wie die Vorfälle in Magglingen leider gezeigt haben. Wir unterstützen deshalb das Anliegen des Netzwerks «Prävention sexueller Gewalt im Freizeitbereich», dass Verantwortliche von Sportorganisationen kostenlosen Zugang zu unabhängiger Vorgehensberatung zum Vorgehen bei Verdacht auf Gewalt, Ausbeutung und sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche erhalten sollen. Die Inanspruchnahme einer externen Beratung sollte bei der Entwicklung organisationsinterner Konzepte berücksichtigt werden. Denn wenn die Zuständigkeiten und Vorgehensweisen im Krisenfall nicht geklärt sind, sind auch externen Beratungsstellen die Hände gebunden, wenn solche Notfälle eintreten.

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