Empfehlungen an das Parlament zur Sommersession 2018

Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen: Kinderschutz Schweiz unterstützt die Revision

  • Sommersession 2018: Empfehlungen an das Parlament
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Kurzempfehlungen Nationalrat

17.497 Parlamentarische Initiative 12.06.2018

WBK-N. Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung. Verlängerung des Impulsprogramms des Bundes

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N) will das Bundesgesetz über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung über den 31. Januar 2019 hinaus um vier weitere Jahre verlängern. Mit dem Impulsprogramm des Bundes wird das Ziel verfolgt, die Schaffung von Tagesbetreuungsplätzen für Kinder zu fördern und den Eltern so zu ermöglichen, Familie und Beruf oder Ausbildung besser miteinander zu vereinbaren. Die WBK-N hat dazu einen Erlassentwurf erarbeitet, dem die WBK des Ständerats bereits zugestimmt hat. Der Nationalrat berät den Erlassentwurf nun in erster Lesung.

Kinderschutz Schweiz empfiehlt, der Initiative Folge zu geben.

Familien- und schulergänzende Kinderbetreuungsangebote sind Orte der frühen Förderung, in denen alle Kinder integriert und in ihrer Entwicklung gefördert werden. Das Impulsprogramm des Bundes ist für die Weiterentwicklung der familienergänzenden Kinderbetreuung ein Erfolg. Aus Sicht von Kinderschutz Schweiz ist es wichtig, dass mit dem quantitativen Ausbau auch eine qualitative Weiterentwicklung einhergeht. Die Qualität der Angebote familien- und schulergänzender Kinderbetreuung spielt eine entscheidende Rolle für die positiven Bildungseffekte auf die Kinder. Die parlamentarische Initiative der WBK-N fordert zwar in erster Linie einen quantitativen Angebotsausbau. Gleichzeitig wird jedoch die Qualität der Betreuungseinrichtungen in zweierlei Hinsicht gefördert: (1) Die finanzielle Unterstützung ermöglicht es Betreuungseinrichtungen, in die Qualität zu investieren. (2) Die Eltern erhalten die Möglichkeit, die Betreuungseinrichtung aufgrund von Qualitätsmerkmalen zu wählen. Eine solche Wettbewerbssituation wirkt sich günstig auf die Qualität der Betreuung aus.
18.3002 Motion 12.06.2018

SPK-S. Punktuelle Anpassungen des Status der vorläufigen Aufnahme

Mit der Motion der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-S) soll der Bundesrat beauftragt werden, punktuelle Anpassungen beim Status der vorläufigen Aufnahme vorzuschlagen. Damit sollen die höchsten Hürden für die Integration in den Arbeitsmarkt für Personen beseitigt werden, die für längere Zeit in der Schweiz bleiben. Insbesondere zu prüfen seien die Änderung des Begriffs «vorläufige Aufnahme» und Erleichterungen beim Kantonswechsel zwecks Erwerbstätigkeit. Grundsätzlich soll der heutige Status der vorläufigen Annahme aber beibehalten werden.

Kinderschutz Schweiz empfiehlt, die Motion 18.3002 der SPK-S anzunehmen.

Die Motion stellt eine leichte Verbesserung gegenüber dem Status quo dar. Es wird dennoch weiter gehende Anpassungen geben müssen, um die Situation von Familien mit dem Status der vorläufigen Aufnahme zu verbessern und ihnen einen eindeutigen Schutzstatus zuzuweisen. Der Status der vorläufigen Aufnahme ist vor allem für Minderjährige im Bildungs- und Ausbildungsbereich mit grossen Schwierigkeiten verbunden, z. B. wenn sie einen Ausbildungsplatz suchen.
18.3381 Postulat 12.06.2018

SPK-N. Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers

In der Vorgeschichte dieses Postulats hat die Kommission für Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) vom Bundesrat mit der Motion 18.3005 «Für eine kohärente Gesetzgebung zu Sans-Papiers» Massnahmen und Gesetzesänderungen in verschiedenen Bereichen gefordert, insbesondere betreffend die Sozialversicherungen, die Gesundheitsversorgung, die Erwerbstätigkeit und die Wohnsituation von Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus (Sans-Papiers) sowie betreffend den Datenaustausch zwischen staatlichen Stellen und die Kriterien für die Regularisierung. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) kam in ihrer Beratung der SGK-N-Motion 18.3005 zum Schluss, dass es weitere Abklärungen braucht, um die Folgen dieser Motion abzuschätzen. Aus diesem Grund reichte die SPK-N das Postulat 18.3381 «Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers» ein. Die SGK-N hat als Antwort auf das SPK-N-Postulat die ursprüngliche SGK-N-Motion zurückgezogen. Der Nationalrat wird nun als Erstrat das SPK-N-Postulat 18.3381 «Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers» behandeln.

Kinderschutz Schweiz empfiehlt die Annahme des Postulats 18.3381.

Bei jeder Entscheidung, die Kinder betrifft, muss gemäss der UN-Kinderrechtskonvention das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden. Die ursprüngliche Motion 18.3005 der SGK-N missachtet diesen Grundsatz, indem sie unter anderem den Datenaustausch zwischen staatlichen Stellen erleichtern will. Dadurch steigt z. B. die Gefahr, dass Sans-Papiers-Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken aus Angst, entdeckt zu werden. Dieselbe Angst verhindert, dass sich Sans-Papiers-Familien bei einer staatlich finanzierten Anlaufstelle zur Gesundheitsversorgung melden. Den betroffenen Kindern würde somit faktisch der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt. Damit werden die Rechte von Kindern auf Bildung und auf Zugang zur medizinischen Grundversorgung infrage gestellt, die von der Bundesverfassung (Art. 11, 19, 41 und 62), der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 2, 21 und 28) und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Art. 12 und 13) garantiert werden. Kinderschutz Schweiz begrüsst aus den obigen Gründen das von der SPK-N eingereichte Postulat 18.3381, das eine umfassende Prüfung der aktuellen Situation und Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf Sans-Papiers fordert. Im Gegensatz zur ursprünglichen Motion der SGK-N verlangt das Postulat auch eine Analyse der Auswirkungen staatlicher Massnahmen auf die Sans-Papiers selbst.

Kurzempfehlungen Ständerat

17.062 Geschäft des Bundesrats 11.06.2018

Schutz gewaltbetroffener Personen. Bundesgesetz

Der Bundesrat will Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking besser schützen. Im Oktober 2017 verabschiedete er die Botschaft zu verschiedenen Anpassungen des Zivilgesetzbuchs (ZGB), der Zivilprozessordnung (ZPO), des Strafgesetzbuchs (StGB) und des Militärstrafgesetzes (MStG). Die Vorlage ermöglicht namentlich eine elektronische Überwachung von Personen, gegen die aufgrund von Gewalt, Drohungen oder Stalking ein Rayon- oder Kontaktverbot angeordnet wurde. Zudem sollen prozessuale Hürden im zivilrechtlichen Gewaltschutz abgebaut werden: So sollen Personen, die mit dem Gewaltschutz betraut sind, die nötige Weiterbildung erhalten. Den Opfern sollen keine Gerichtskosten mehr auferlegt werden, und sie sollen nicht mehr die ganze Verantwortung des Entscheides über eine Sistierung oder Einstellung eines Strafverfahrens tragen müssen.

Kinderschutz Schweiz empfiehlt, auf die Vorlage einzutreten und den Entwurf mit den nachfolgenden Anpassungen anzunehmen.

Anpassungen für einen wirksamen Kindesschutz Die Situation von Kindern, die direkt oder indirekt von häuslicher Gewalt betroffen sind, gilt es im Kontext häuslicher Gewalt stets in den Fokus zu rücken. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Bundesgesetzes über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen stärkt in weiten Teilen die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls im Sinne von Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention. Beispielsweise begrüsst Kinderschutz Schweiz sehr, dass beschuldigte Personen künftig für die Zeit der Verfahrenssistierung verpflichtet werden können, an einem Lernprogramm gegen Gewalt teilzunehmen (vgl. Änderung StGB, Art. 55a Abs. 2). In den folgenden Punkten verpasst es der Erlassentwurf jedoch, die Belange der betroffenen Kinder genügend zu regeln und Kindeswohlgefährdungen abzuwenden. Prozessuale Anpassungen zum Schutz der Kinder › Art. 28b Abs. 3bis ZGB: Kinderschutz Schweiz spricht sich dafür aus, dass Gerichtsentscheide anderen Behörden zwingend mitgeteilt werden, wenn Minderjährige betroffen sind und wenn es dem Schutz und dem Interesse des Kindes dient. Die in Art. 28b Abs. 3bis ZGB vorgesehene Relativierung «[...] soweit dies zu deren Aufgabenerfüllung [...] dient» sollte daher gestrichen werden. › Art. 28b Abs. 4 zweiter Satz ZGB: Es ist zu begrüssen, dass die Kantone gemäss Art. 28b Abs. 4 zweiter Satz ZGB neu für die Weiterbildung der Personen sorgen sollen, die mit dem Gewaltschutz betraut sind. Die Betroffenheit von Kindern im Kontext elterlicher Paargewalt wird heute bei der Durchsetzung von Schutzmassnahmen oft nicht berücksichtigt. Kinderschutz Schweiz fordert daher, dass die Weiterbildung betreffend Kinder, die von elterlicher Paargewalt betroffen sind, explizit gesetzlich verankert wird. Damit weicht Kinderschutz Schweiz vom Antrag auf Streichung der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats ab. › Art. 55a Abs. 1 StGB: Kinderschutz Schweiz bedauert, dass gemäss aktueller Vorlage bei der Verfahrenssistierung nicht mehr explizit geprüft werden muss, ob Kinder betroffen sind und ob das Kindeswohl gefährdet ist. Das Kindeswohl muss bei Entscheiden, die Kinder betreffen, vorrangig berücksichtigt werden (Art. 3 UN-KRK). Die Bestimmung, wonach die Betroffenheit von Kindern beim Sistierungsentscheid berücksichtigt werden müssen, muss daher in Art. 55a Abs. 1 lit. c explizit in das Gesetz aufgenommen werden. › Art. 55a Abs. 5: Die Vorlage sieht in der jetzigen Form nicht vor, dass Staatsanwaltschaft oder Gericht die Opfer anhören müssen, bevor sie den Entscheid über die Beendigung eines Verfahrens nach einer Sistierung treffen. Da Kinder von diesem Entscheid direkt betroffen sind, sind diese vor der Beendigung des Verfahrens durch geschulte Personen anzuhören (Art. 12 UN-KRK). Beim Entscheid ist das übergeordnete Kindeswohl zu berücksichtigen.
16.3911 Motion 06.06.2018

WBK-N. Zugewanderte Jugendliche zum Abschluss auf der Sekundarstufe II führen

Mit der Motion will die WBK-N den Bundesrat beauftragen, die Zuständigkeit für die Umsetzung und Finanzierung von Bildungsmassnahmen für spät zugewanderte Jugendliche und junge Erwachsene gemeinsam mit den Kantonen zu klären und die Bundesbeiträge an die Integrationsleistungen, die durch die Regelstrukturen im Bildungsbereich erbracht werden, substanziell zu erhöhen. Die Finanzierung der zusätzlichen Integrationsleistungen soll über das Budget des Staatsekretariats für Migration garantiert werden. Der Nationalrat hat der Motion bereits zugestimmt.

Kinderschutz Schweiz empfiehlt die Annahme der Motion.

Gerade das postobligatorische Bildungssystem mit seiner Flexibilität und Durchlässigkeit bietet beste Voraussetzungen, um auch spät zugewanderten Jugendlichen einen Abschluss auf Stufe Sek. II zu ermöglichen. Dies wird dem Recht der Kinder unter 18 Jahren gerecht, einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung zu haben und bestimmte Schulbildungsziele zu verfolgen (Art. 28 und 29 UN-KRK). Der Abschluss einer Ausbildung ist zentral für die Integration in die Arbeitswelt und schützt Jugendliche auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vor Arbeitslosigkeit und Armut.
15.309 Standesinitiative 14.06.2018

Kanton Schaffhausen. Verankerung einer Beschwerdelegitimation des kostenpflichtigen Gemeinwesens gegenüber Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen der KESB im ZGB

Der Kanton Schaffhausen fordert den Bund auf, in Art. 450 ZGB (Beschwerdeobjekt und Beschwerdebefugnis) die Beschwerdebefugnis des kostenpflichtigen Gemeinwesens gegenüber Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen der KESB zu verankern.

Kinderschutz Schweiz empfiehlt, der Initiative keine Folge zu geben.

Mit der Revision des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts hat man bewusst das Kindeswohl ins Zentrum gesetzt. Es ist richtig, dass eine unabhängige und professionelle Fachbehörde über Massnahmen im Kindes- und Erwachsenenschutz zu entscheiden hat. Finanzielle Auswirkungen auf das Gemeinwesen dürfen hierbei nicht im Fokus stehen und müssen der Wahrung des Kindeswohls untergeordnet sein. Eine Änderung im Sinne der Schaffhauser Standesinitiative birgt die Gefahr, dass finanzielle Interessen einer Gemeinde zu falschen Anreizen bei KESB-Entscheiden führen. Sowohl der Nationalrat als auch die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen sprachen sich aus ebendiesem Grund gegen die Initiative aus. Es stimmt, dass abhängig vom kantonalen Recht einzelne Gemeinden mit massiven Kosten der Massnahmen konfrontiert sind. Der Lösungsvorschlag der Initiative, die kostenpflichtige Gemeinde via bundesrechtliche Beschwerdelegitimation einzubeziehen, ist jedoch der falsche Weg und gefährdet das Kindeswohl, indem finanzpolitische Anliegen von Gemeinden höher gewichtet werden können. Hier verweist Kinderschutz Schweiz auf die deutlichen Empfehlungen der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz KOKES zum Einbezug von Sozialhilfebehörden in die Entscheidungsfindung der Kindesschutzorgane vom 24. April 2014. In Kantonen, in denen es diesbezüglich Probleme gibt, können kantonal geregelte adäquate Finanzierungssysteme, z. B. Poollösungen oder Lastenausgleichsmechanismen, Entlastung bringen.
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