Mehr Gelassenheit im Familienalltag

Was ist mir wichtig in der Erziehung? Kenne ich meine eigenen Bedürfnisse und die meines Kindes? Wie kann ich mein Kind am besten unterstützen? Die Auseinandersetzung mit solchen Fragen braucht etwas Zeit, verspricht aber neben mehr Gelassenheit im Familienalltag auch mehr Freude mit den Kindern!

Was ist mir wichtig in der Erziehung?

Werte vermitteln Halt und Orientierung

Wie bin ich erzogen worden? Will ich dieselben Werte meinen Kindern weitergeben, die auch meinen Eltern wichtig waren? Wie wollen mein Partner oder meine Partnerin und ich die Erziehung gestalten? Teilen wir dieselben Werte?

Die Antworten auf diese Fragen helfen, sich der eigenen Vorstellungen von Erziehung bewusst zu werden. Es wird dadurch einfacher, nach den eigenen Werten und Zielen zu handeln. 

Werte geben Orientierung und Halt für das Zusammenleben

Was sind Werte?

Autonomie, Achtsamkeit, Ehrlichkeit, Erfolg, Fairness, Fleiss, Freiheit, Nachhaltigkeit, Ordnungssinn, Pünktlichkeit, Respekt, Sicherheit, Teamgeist, Verlässlichkeit und Wertschätzung können Werte sein. Werte geben Orientierung und Halt. Sie bilden das Fundament für das Zusammenleben innerhalb von Familien und der Gesellschaft. Welche Werte wir haben, hängt oft damit zusammen, in welchem Umfeld wir leben und wie wir aufgewachsen sind. Im Laufe der Zeit können sich die grundlegenden Werte in einer Gesellschaft verändern.

Werte leben, akzeptieren und respektieren – Gewalt hat keinen Platz

Welche Werte habe ich? Welche Werte hat mein Partner oder meine Partnerin? Welche Werte haben wir als Familie?

Solche Fragen dienen nicht nur dazu herauszufinden, was man selbst oder was die Partnerin / der Partner will. Auch worauf man seine Energie gerade nicht verwenden will, wird klarer. Dabei gilt: Unterschiedliche Werte und Erziehungsvorstellungen sind akzeptiert und respektiert, nicht aber Gewaltanwendung. Physische, psychische Gewalt oder Vernachlässigung zerstören sowohl das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern als auch das Selbstvertrauen des Kindes. Junge Menschen brauchen Anerkennung, Liebe und Vertrauen.

Werte vorleben anstatt sie zu predigen

Nach den eigenen Werten zu handeln, bedeutet auch, sie nicht nur zu predigen, sondern vorzuleben. Eltern sind Vorbilder. Kinder erleben und erfahren die Wertvorstellungen ihrer Eltern, indem sie

  • beobachten, was ihre Eltern tun;
  • hören, was die Eltern sagen;
  • erleben, wie die eigenen Eltern in bestimmten Situationen reagieren.

Die Wertvorstellungen der Eltern beeinflussen ihr Verhalten den Kindern gegenüber massgeblich und fliessen in die Erziehungsziele ein. Hilft ein Kind beispielsweise freiwillig beim Tischdecken und -abräumen mit, erhält es dafür eine anerkennende Reaktion von seinen Eltern. Es erfährt so, dass einander helfen in «seiner» Familie ein wichtiger Wert ist.

Eltern, die ihre eigenen Wertvorstellungen kennen, können klarer argumentieren. Sie können besser erklären, weshalb bestimmte Regeln in ihrer Familie von Bedeutung sind. Eltern, die wissen, was ihnen in der Erziehung wichtig ist, stärken auch ihr eigenes Selbstvertrauen: Sie können gelassen(er) damit umgehen, was «andere» (Freunde, Nachbarn usw.) für richtig oder wichtig halten, und sind in der Lage, ihren Kindern mit Überzeugung eigene verlässliche Leitlinien anzubieten. Damit schenken sie ihren Kindern Halt und Orientierung in einer äusserst vielfältigen Welt.

Hintergrund: Die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Erziehungszielen ist ein zentrales Element des Elternkurses «Starke Eltern – Starke Kinder®».

Kenne ich meine eigenen Bedürfnisse und die meines Kindes?

Bedürfnissen in vier Schritten auf den Grund gehen

Alle Menschen verhalten sich gerne nach ihren eigenen Bedürfnissen. Das Handeln der Mitmenschen im Alltag entspricht nicht immer dem, was man für sich als gut befunden hat. Dies kann zu Auseinandersetzungen führen. Das ist auch zu Hause nicht anders. Eltern verbringen viel Zeit mit ihren Kindern; da ist es umso wichtiger, dass die Bedürfnisse aller lokalisiert und betrachtet werden. Es lassen sich dadurch einerseits konfliktträchtige Situationen eher bereinigen, und andererseits kann eine Familie in einer so offenen Familienkultur sogar näher zusammenwachsen.

Wie geht das? Eine Anleitung in vier Schritten. 

  1. In einer fordernden Situation zuerst die eigene Sauerstoffmaske überziehen…
    Im Alltag einer Familie kann es schnell zum Konflikt kommen. Ein Paradebeispiel: Die Kinder schreien einander an, der Vater oder die Mutter muss sich gerade auf eine Arbeit konzentrieren. Bevor diese Situation in einem lauten Familienstreit mündet, hilft es, sich selbst eine kurze Auszeit zu gönnen und die Kinder noch einen kurzen Moment weiterlärmen zu lassen. Die Anleitung im Flugzeug «Ziehen Sie sich zuerst selbst eine Sauerstoffmaske über, bevor Sie anderen helfen» gilt hier sinngemäss ebenso. Denn erst, wenn die eigenen Bedürfnisse geklärt sind, kann anderen geholfen werden. Die eigenen Bedürfnisse auszumachen, ist der erste Schritt für ein besseres Zusammenleben.
  2. … dann andere unterstützen
    Im zweiten Schritt sind die Bedürfnisse der Kinder dran. Weshalb ist es laut geworden? Was benötigen die Kinder im Moment? Wenn Eltern klar wird, dass ihre eigene Wut ebenso einen guten Grund hat wie das Rumgeschreie der Kinder, tritt Verständnis an die Stelle von Ärger –Eltern und Kinder bleiben in Beziehung zueinander. Zu bedenken ist: Kinder können über ihre Bedürfnisse noch nicht in derselben Art nachdenken, wie das erwachsene Personen können. Doch sie haben dennoch das Recht, diese zu äussern und angehört zu werden.
  3. Verstehen heisst nicht einverstanden sein
    Wenn die Eltern sich beispielsweise über das Bedürfnis ihres Kindes im Klaren sind, heisst das nicht, dass dieses auch sofort erfüllt werden muss. Und es bedeutet auch nicht, dass sie sich mit dem etwaigen Verhalten des Kindes einverstanden erklären müssen. Ein Ziel des Verstehens ist auch, als Mutter oder Vater mit dem Kind in Beziehung zu bleiben, ganz nach dem Motto: «Beziehung kommt vor Erziehung.» Im dritten Schritt teilen nun die Eltern mit, welches ihre Bedürfnisse sind. Kinder sollen schliesslich lernen, dass die Erwachsenen ebenfalls Bedürfnisse und Grenzen haben und dafür auch einstehen. Am besten funktioniert das Anbringen von Wünschen mit einer Ich-Botschaft: «Ich möchte in Ruhe fertig telefonieren, bevor wir zusammen Zvieri essen.» 
  4. Kreative Lösungen finden
    Liegen alle Bedürfnisse auf dem Tisch, können im vierten und letzten Schritt verschiedene Wege gesucht werden, wie und inwieweit man sie erfüllen kann. In diesen Prozess sollen auch die Kinder miteinbezogen werden – leider geht in der Alltagshektik oft vergessen, dass Kinder sich als Teil der Gemeinschaft erleben und ihren Teil zu dieser beitragen wollen. Für Kinder ist es wichtig zu erfahren, dass auch ihre Bedürfnisse etwas zählen. Beim Finden von Lösungen sind sie zudem sehr kreativ – lassen Sie sich als Eltern ruhig überraschen.

Fazit

Sich innerhalb der Familie die Zeit zu nehmen, einen gemeinsamen Weg zu pfaden, lohnt sich. Das gemeinsame Besprechen von Bedürfnissen und aufeinander eingehen stärken das Verständnis füreinander und schaffen eine gelassene Atmosphäre innerhalb der Familie. Dies wiederum führt zu:

  • gegenseitiger Verbundenheit und zur besseren gegenseitigen Unterstützung;
  • mehr Leichtigkeit und Wertschätzung im Umgang miteinander;
  • einem gemeinsamen Lernprozess auf einer stabilen Grundlage.

Hintergrund: Die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen und denen der Kinder ist ein zentrales Element des Elternkurses  «Starke Eltern – Starke Kinder®».

Wie kann ich mein Kind unterstützen?

Entwicklungsfördernde Erziehungshaltung

Die Vorstellungen davon, was «gute Eltern» sind, können im Alltag nicht immer restlos umgesetzt werden. Eltern müssen nicht perfekt sein, ihr Erziehungsverhalten hat immer entwicklungsfördernde und entwicklungshemmende Teile. Das zu akzeptieren, kann Eltern vor der eigenen Überforderung entlasten.

Eigene Erziehungshaltungen haben allerdings eine Grenze: Sie ist dort, wo Gewalt anfängt, denn durch körperliche und seelische Bestrafung wird das Vertrauen zwischen Eltern und Kind geschwächt oder schlimmstenfalls ganz zerstört. Gewalt hat folglich in der Erziehung nichts zu suchen.

Selbstbild der Eltern – wie die Eltern sich selbst sehen

Wenn Eltern sich selbst annehmen und respektieren, wie sie sind, und schauen, dass es ihnen selbst gut geht, wenn sie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben und wissen, dass Konflikte und Streit zum Leben dazugehören, wenn sie Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen, auch mal über sich selbst lachen und sich Fehler eingestehen können, dann wirkt sich das entwicklungsfördernd auf das Kind aus.

Haltung dem Kind gegenüber – wie die Eltern dem Kind begegnen

Wenn Eltern die Haltung haben, dass alle Gefühle richtig sind (aber nicht alles, was darauf folgen kann), dass über die eigenen Gefühle sprechen und das eigene Handeln begründen wichtig sind, wenn Eltern auf die Fähigkeiten des Kindes vertrauen und es wenn nötig unterstützen, wenn sie es als gleichwertig sehen, es verstehen möchten und altersgemäss mitbestimmen lassen, wenn sie auf die positiven Seiten des Kindes achten, ihm Liebe und Zärtlichkeit schenken und gemeinsame Zeit mit dem Kind schätzen und wenn Eltern – falls angebracht – auch sehr bestimmt und klar sein können, dann wirkt sich das entwicklungsfördernd auf das Kind aus.

Auswirkungen auf das Kind – was das Kind erfährt und was es daraus lernt

Wenn einem Kind mit der beschriebenen Haltung begegnet wird, kann es lernen, dass es ein wichtiges Mitglied der Familie ist, das geliebt und angenommen wird – genau so, wie es ist, dass es für sich selbst sprechen darf und so Einfluss auf sein Leben nehmen kann, weil seine Meinung und seine Rechte wichtig sind, und dass es gleichzeitig auch Pflichten hat und seinem Alter entsprechend Verantwortung übernehmen kann. Das Kind hat Selbstvertrauen und traut sich Neues zu, weil es weiss: «Ich darf Fehler machen und muss nicht perfekt sein.» Und weil es erfahren hat: «Ich muss nicht alles alleine schaffen.» Es lernt, dass alle seine Gefühle Platz haben und dass zum Leben auch Humor, Leichtigkeit und Freude gehören.

Hintergrund: Das Erforschen und Verstärken von entwicklungsfördernden Verhaltensweisen ist ein zentrales Element des Elternkurses «Starke Eltern – Starke Kinder®».

Wie treffen wir Abmachungen, damit sie auch eingehalten werden?

Über Grenzen und Regeln

Grenzen setzen heisst nicht verbieten. Grenzen und Regeln geben Kindern Orientierung und Halt. Je mehr Menschen zusammenleben, desto wichtiger ist es, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die anleitende Erziehung ist kein Rezept dafür, wie «Grenzen setzen kinderleicht gelingt». Sie geht vielmehr davon aus, dass Grenzen von den Bedürfnissen der Eltern sowie den alters- und entwicklungsbedingten Bedürfnissen des Kindes abhängen.

Grenzen schützen Kinder und geben Freiraum

Grenzen und Regeln geben Kindern einen geschützten Freiraum, in dem sie sich sicher bewegen können und vor Gefahren geschützt sind. Durch gut begründete Grenzen und Regeln, bei denen die Kinder ihrem Alter entsprechend ein Mitspracherecht haben, lernen Kinder, Frustrationen auszuhalten und beispielsweise Spassmomente auf später zu verschieben. Regeln und Grenzen tragen dazu bei, dass potenzielle Konfliktpunkte wie zum Beispiel die Bildschirmzeit nicht immer wieder neu ausgehandelt werden müssen.

Auf Grenzen achten

Grenzen bieten den Eltern auch Raum für ihre eigenen Bedürfnisse. Erleben Kinder, dass Eltern ihre eigenen Bedürfnisse ernst nehmen und sich als Beispiel pro Tag eine halbstündige Auszeit nehmen, erfahren sie die Bedeutung von Selbstachtung sowie Respekt vor anderen. Dabei haben auch die Eltern die Grenzen ihrer Kinder zu achten. Vor allem jüngere kommunizieren ihre Grenzen oft auf andere Art als mit klaren Worten, zum Beispiel indem sie ihr Gesicht wegdrehen, zu weinen beginnen oder sich verweigern. Neben Vorbildsein ist es darum auch wichtig, dass die Eltern achtsam sind und lernen, die Signale ihres Kindes zu lesen.

Für alle gilt: Wenn ich Beschlüsse, die mich betreffen, mitentscheiden kann, bin ich auch eher bereit, sie einzuhalten.

Einige Ideen, wie das Aufzeigen von Grenzen und das Vereinbaren von Regeln gelingen können:

  • Gemeinsam ergründen: Wer braucht was, damit es allen zu Hause gut geht?
  • Entscheide begründen: dabei offen sein für andere Sichtweisen und kreative Lösungen.
  • Kontrolliert führen: freundlich, aber bestimmt Grenzen zeigen.
  • Altersgerechte und der Entwicklung angepasste Regeln finden: Kleinkinder brauchen andere Regeln als Jugendliche.
  • Weniger ist mehr: Weder Eltern noch Kind sollen sich von Regeln und deren Einhaltung überfordert fühlen.
  • Übung macht den Meister: Wiederholtes Erinnert-werden-Müssen und Rückschläge gehören zum Lernen von Kindern dazu.
  • Loben: Jede noch so kleine Verhaltensänderung in die gewünschte Richtung soll Anerkennung finden.

Gewalt ist keine Alternative

Körperliche und seelische Bestrafungen tun weh und machen Angst. Das Vertrauen zwischen Eltern und Kind wird dadurch unterwandert. Das unerwünschte Verhalten des Kindes wird zwar für den Moment gestoppt, kann aber längerfristig Trotz und Widerstand wecken. Es fehlt der Lerneffekt. Gewalt in der Erziehung ist folglich nie eine Lösung.

Hintergrund: Die Auseinandersetzung mit Grenzen, Regeln und Vereinbarungen ist ein zentrales Element des Elternkurses Starke Eltern – Starke Kinder.

Präventionsangebote & Kurse

Sie möchten das Thema in Ihrem beruflichen Alltag konkret behandeln? Hier finden Sie unsere erprobten Programme und Kurse. Für weitere Informationen oder individuelle Lösungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: info@kinderschutz.ch

Engagement Kinderschutz Schweiz

Kinderschutz Schweiz benennt die Missachtung der Rechte der Kinder und fordert die konsequente Umsetzung der UNO-KRK in der Schweiz. Die Stiftung bringt sich in Debatten ein, wird zum Schutz der Kinder aktiv und fordert von den politisch Verantwortlichen kinder- und familienfreundliche Strukturen.

Weitere Informationen und Kontakt

Stéphanie Bürgi-Dollet
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bereich Programme
Telefon +41 31 384 29 13
stephanie.buergi@kinderschutz.ch

Stéphanie Bürgi-Dollet
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